Die Faszination des keramischen Werkstoffes besteht für mich darin, dass er durch die Zugabe von Wasser individuell geformt und mit sehr geringer Kraftaufwendung verändert werden kann. Im Gegensatz zur Schnitzkunst können Proportionen hinsichtlich einer gewünschten Form relativ einfach wieder neu modelliert oder angepasst werden. Die Raumtemperatur lässt das Werkstück schlussendlich austrocknen und dann verliert die weiche Konsistenz ihre Änderbarkeit und erstarrt in ihrer finalen Formgebung. Der sogenannte Scherben wird spröde und ist ab diesem Zeitpunkt gegen jede Erschütterung verletzlich, bis der Rohbrand dem Werk etwas mehr Stabilität und Widerstandskraft gegen äußere Einflüsse verleiht. In anschließender Glasur gehüllt, werden die naturbraunen Tonfiguren durch meine Farbgebung gezielt, manchmal auch überraschend, ins Szene gesetzt. 

Der Ursprung oder die Bedeutung meiner Keramiken könnte nicht unterschiedlicher sein. Manchmal entsteht das Werk erst im Moment, wenn die Hände ohne Vorgaben und Zielsetzung den Ton berühren, angetrieben durch einen brodelnden, energiegeladenen Kreativprozess.  Oder aber, es ist genau das Gegenteil, wenn sich die Kreativität aus einer meditativen Trance entwickelt, die den Verlauf und damit Gestalt und Ausdruck des Objektes prägen. Dann werde ich durch Impulse geleitet, die meinen Herzschlag entspannt und gleichmäßig pulsieren lassen. Die aufkommende Leere und Zufriedenheit gleichen einer Schwerelosigkeit, die sich wie ein Schutzmantel über unfreiwilligen Gedanken-Zirkulationen legt, die zuvor nicht zur Ruhe kommen wollten. Diese Ruhe ist der größte Nährboden zur Füllung meiner Tanks mit Kraft und Lebenselixier. 

Eine Keramik kann auch durch einen Denkanstoß entstehen, der zuerst als interessante Idee auflodert, dann heranreift und schlussendlich konkret visualisiert wird, wenn sich alle Teile sinngemäß und harmonisch zusammenfügen lassen. Und in vielen Fällen lasse ich mich auch von der Kombination mit unterschiedlichen Materialien regelmäßig von zuvor geplanten Wegen abbringen und zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten inspirieren. Dadurch erlange ich die Möglichkeit, der Idee in seinem finalen Ausdruck mehr RAFFInesse einzuhauchen. Mit anderen Worten, für jene die mich nicht kennen, meinem Stil gerecht zu werden, der mich als Wiederholungstäter bei den Betrachtern auffliegen lässt. Ein RAU (Insider) eben!

Viele meiner Werke “haben nicht Hand und Fuß”, weil die Form des Kopfes mich seit Kindertagen fasziniert und für mich einen phantasievollen Spannungsbogen zwischen Realität, Surrealismus und Wunder bietet. Der Kopf als Quelle unerforschter Möglichkeiten und zugleich ein Epizentrum aufeinander prallender Gedanken, Emotionen und Erfahrungen. Das Gehirn als wohl größte Schaltzentrale mit allen Möglichkeiten zwischen Genie und Wahnsinn. Und irgendwo liegt dann die Wahrnehmung des einzelnen Menschen dazwischen, der nur einen Bruchteil von allem Wahrnehmbaren realisiert, niemals jedoch vollumfänglich in der Lage ist, zu verstehen. Die Haarpracht meiner Köpfe wird meist mit Gegenständen aus Schubladen oder Müllcontainern auffrisiert, die damit ihre zweite Bestimmung erlangen. Upcycling ist für mich eine Leidenschaft nach dem einfachen Motto, dass Totgesagte durchaus länger leben können.

Für den “Spatenstich” eines neuen Projektes drängt sich in seltenen Fällen auch ein Bild auf, dass in meinem Unterbewusstsein blitzartig aufflackert und für kaum eine Sekunde anhält, um einen vollständigen Blick darauf zuzulassen. Angetrieben von einem Gefühl, dieser Erscheinung mehr Raum zuzuschreiben, gehen die in meinem Kopf zurückgebliebenen Bildfragmente mit bisher gespeicherten Lebenserinnerungen vermischt, ein starkes, aussagekräftiges Bündnis ein, um eine neue visuelle Interpretation zu verkörpern. Als hätte man nur die letzte Seite einer Bauanleitung für ein schwedisches Möbelstück entdeckt, ohne die notwendigen Materialien, Werkzeuge oder das schrittweise Vorgehen für die Realisierung zu kennen – der kreative Prozess ist damit aber unaufhaltsam wachgerüttelt.

Keramikkopf mit Drahthaaren
Tonskulptur mit alten Glühbirnen

Die Kunst, die mich aber am meisten fordert, ist jene, wenn ich mit dem fertigen Werk eine zentrale Botschaft herausstreichen möchte. Ich damit eine Geschichte erzähle, deren Inhalt eine große Bedeutung für mich hat, oder mich im Lebensalltag selbst vielleicht akut fordert (Schlüsselfigur). Meine Ausdrucksform lässt sich dann nicht mit klassischen Worten niederschreiben, sondern nimmt mit meinem Werk eine feste Gestalt an. Ich möchte damit auch vermehrt meine Haltung zu aktuellen, gesellschaftlichen Geschehnissen als Für- oder Gegensprecherin visualisieren und damit meinen Platz einnehmen. Die Kunst ist eine Chance, auch unschönen Themen eine Ausstellungsfläche und damit Aufmerksamkeit zu bieten.

Der Ton bietet nicht nur mir ein breites Spektrum an Bearbeitungsmöglichkeiten, sondern lockt gestalterische Energien und kreative Prozesse in allen menschlichen Kulturen hervor und setzt den vielfältigen Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten keine Grenzen. Uneingeschränkt faszinierend eben. Eine Inspiration für jeden von uns, wenn wir unsere Gedanken für die Menschen als Objekt begreifbar machen – nicht nur mit den Augen betrachtbar sondern mit den Händen auch berührbar. Just feel it!