Das Projekt „Soulsister“ ist für mich ein schöner Beweis, warum die kreative Arbeit in einer Gruppe nicht nur ein tolles Erlebnis verspricht, sondern Menschen, über die Lebensdauer eines Werkes hinaus, sehr stark miteinander verbindet. Wenn ein Kunstwerk alleine im stillen Kämmerchen erarbeitet und später der Außenwelt präsentiert wird, ist es natürlich auch erfüllend, aber vielleicht durch die fehlenden Hände und Ideen anderer Mitstreiter in manchen Fällen eindimensionaler. Ausschlaggebend für dieses Kunstprojekt ist die Tatsache, dass das Bild von Charlie Chaplin, ein anderes Gemeinschaftsprojekt in Zusammenarbeit mit Kreativity, das Zuhause für einen Sponsor verlassen hat. Das Bild aus über 6.500 Kronenkorken hatte in den letzten 3 Jahren in der Mundwerkstatt sehr viele Blicke auf sich gezogen und war ein zentrales Werk der dort ausgestellten Kunst. Eine wirklich große Lücke, die er nicht nur aufgrund der Größe in den Räumlichkeiten des Linzer Genussreiches zurückgelassen hat, aber diese galt es nun mit einem neuen Werk zu füllen. Da nach der fordernden Pandemie auch die große Wiedereröffnung der Gastronomie auf dem Plan stand, war der perfekte Zeitpunkt hierfür gekommen. Daniela aus der Mundwerkstatt, ich und Magda waren bereits während der Corona-Pandemie ein gut eingespieltes Team und nutzten jede Gelegenheit uns gegenseitig zu unterstützen – eine wirklich bereichernde und wertvolle Freundschaft. So war es wie erwartet keine große Herausforderung, Magda für unser spontanes Projekt zu gewinnen.
DIE GESCHICHTE HINTER DEM WERK
Die visuelle Idee entspringt nicht aus einer unserer kreativen Adern, sondern haben wir in einem Spielfilm als tolle Kulisse ähnlich umgesetzt gesehen. Diese Idee hat uns danach nie wirklich losgelassen, wollten aber mit unserem Portrait eine eigene Geschichte erzählen – jene einer wahren und unvergesslichen Soulsister. Wir haben ein ausdrucksstarkes Gesicht von Whitney Houston ausgewählt, da sie bis heute immer noch die beeindruckendste Soul-Sängerin ist, wenn es um ihre einzigartige Stimme über 3 Oktaven geht. Auch wenn der Künstlerin ihr Leben durch vielerlei Gründe, darunter auch Drogenkonsum, Rassismus und Homophobie, entglitten ist und ihre Stimme viel zu früh verstummte, ist ihre Musik immer noch über den ganzen Globus lautstark zu hören.
Eine leidenschaftliche und talentierte Sängerin, die vielleicht gerettet hätte werden können, wenn die Ausschlachtung der Musikbranche weniger zerstörend gewesen wäre und der Alltag auch ohne Drogen Stabilität und Glücklichsein versprochen hätte. Wenn ihr Wille sich gegen den strikten Karriereplan der Eltern gewährt und der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung Wirkung erlangt hätte. Oder die Gesellschaft Akzeptanz und Toleranz uneingeschränkt gefordert und die Vielfalt von freien Lebensformen Normalität erlangt hätte.
Die 68 Schallplatten, die für die Haarpracht der Sängerin eingesetzt werden, stehen symbolisch für über 200 Millionen verkauften Tonträger und über 200 Gold-, Platin-, Silber- und Diamantschallplatten. Die bunten Labels der klassischen Langspielplatten repräsentieren die Farben des Regenbogens, die in unserer heutigen Zeit unter anderem auch für “Diversity” (Vielfalt) stehen. Ein Begriff der viel zu spät im Jahr 2020 in Mode gekommen ist. Es gibt leider immer noch so viele Hürden zu überwinden, bis wirklich alle Menschen uneingeschränkte Anerkennung und Wertschätzung, unabhängiger ihrer sozialen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, ihrer physischen oder psychischen Fähigkeiten erfahren.
Das Portrait von Whitney Houston wurde im unteren Bereich mit einem Rahmen eingefangen, um den herausragenden Kopf noch imposanter in Aktion zu setzen. Es sollte damit der Eindruck entstehen, die Sängerin würde sich aus dem Rahmen heraus bewegen und sich selber mit ihrer überstehenden Haarpracht in Szene setzen. Ihr Lächeln selbstsicher und ansteckend, als könnte sie ihr Leben frei nach ihren Wünschen gestalten und ungelenkt anderer Inputgeber glücklich sein. Ihr Leben ist nicht nur eine Reaktion auf all das, was Medienberichte, Manager oder Machthaber, elterliche Vorgaben, freundschaftliche Ratschläge, veraltete und verachtende Meinungsbilder oder andere dominierende Quellen vorschreiben bzw. alte unreflektierten Richtlinien und Denkweisen aufdrängen. Ein Ausbrechen aus veralteten RAHMENbedingungen mit dem Blick über den Tellerrand, weit weg aus unserer Komfortzone, um unsere Leidenschaft vollständig entfalten zu können. Treffen wir eine bewusste Entscheidung und gehen in Richtung jener Ziele, die uns unserem Zweck der Existenz näher bringen.
DIE UMSETZUNG
Die Unterkonstruktion aus 5 verschiedenen Holzplatten wurden mit Latten miteinander verschraubt, damit eine stabile Höhe von 2,6 Meter erreicht werden konnte. Zuerst folgte die weisse Grundierung der Fläche und danach die Übertragung der Gesichtszüge, die lediglich durch das Ausmalen der Schatten zum Vorschein kamen. Damit die Farbe einheitlich deckte, wurde dieser Vorgang wiederholt, damit sich auch die Wogen meines Perfektionismus wieder legen konnten. Von drei Augenpaaren überwacht, wurde Platte für Platte positioniert und mit der Heißklebepistole fixiert. Es ist absolut aufregend, wenn ein Werk Gestalt annimmt und alle helfenden Hände sich am entstehenden Ergebnis erfreuen.
Keiner von uns hatte zu diesem Zeitpunkt den Zweifel, dass beim Aufhängen auf den vormontierten Schwerlastaufhängern ein Problem mit dem Gesamtgewicht auftreten könnte. Niemals! Nunja, es war natürlich zu schwer, aber zwei weitere Freunde von Magda waren zur Stelle und das neue Bild hatte es ohne weitere Probleme an seinen Platz geschafft. Ein wahrlich großartiger Moment, der uns alle mit Stolz erfüllte. Das Gefühl, wenn ein Kunstwerk der Vorstellung nach gelingt, ist unbeschreiblich – besonders für mich, da ich für sehr viele Monate auf dieses Gefühl, gegen meinen Willen, verzichten musste #byebyematilda. Bei gemeinsamen kulinarischen Erlebnissen in der Mundwerkstatt, werden wir uns stets an dieses Wochenende und an unsere besonderen Freundschaft erinnern. Thanks to my LOVE Dani and my SIS Magda!